Die größten One-Hit-Wonder der Literatur
Einige Bestseller-Autor*innen haben in ihrem Leben nur einen einzigen Roman geschrieben, die Gründe dafür waren vielfältig. Es gibt einige Überraschungen.
Den Begriff „One-Hit-Wonder“ kennt man ja in erster Linie aus der Musikwelt. So werden Künstler*innen bezeichnet, die einen einzigen großen Charterfolg hatten, danach aber nie wieder einen Hit landen konnten. Das Phänomen gibt es auch in der Literatur: Einige berühmte Autor*innen haben in ihrem Leben tatsächlich nur einen einzigen Roman geschrieben. Obwohl sie damit teils Klassiker der Weltliteratur schufen, haben sie aus den unterschiedlichsten Gründen nie ein zweites Buch vollbracht. Hier beleuchten wir die berühmtesten literarischen Eintagsfliegen.
Als Erstes kommt einer der großen Klassiker des 19. Jahrhunderts.
#1 Emily Brontë: „Sturmhöhe“
Wie auch ihre berühmten Schwestern Anne und Charlotte schrieb die britische Schriftstellerin Emily Brontë zeitlebens unter einem männlichen Pseudonym: Ellis Bell.
Ihr 1847 erschienenes Werk „Sturmhöhe“ (Originaltitel: „Wuthering Heights“) sollte Emilys einziger Roman bleiben. Zuvor veröffentlichte sie zusammen mit ihren Schwestern einen Gedichtband, ein weiterer erschien posthum. Vielleicht hätte Emily Brontë der Welt noch mehr Literatur geschenkt, doch sie verstarb 1848 mit nur 30 Jahren an einer Lungenentzündung.
„Wuthering Heights“ gilt heute als einer der großen britischen Roman-Klassiker des 19. Jahrhunderts. Es entstanden nicht nur unzählige Verfilmungen, der Roman hat auch den gleichnamigen ersten großen Hit der Sängerin Kate Bush inspiriert.
Auch das nächste Buch ist durch einen Film unsterblich geworden.
#2 Margaret Mitchell: „Vom Winde verweht“
Das 1936 erschienene Südstaaten-Epos „Vom Winde verweht“ (Originaltitel: „Gone with the Wind“) wurde sofort einer der größten Bestseller der US-amerikanischen Geschichte und wurde bis heute über 30 Millionen Mal verkauft. Das liegt sicher auch am 1937 verliehenen Pulitzer-Preis und der 1939er Verfilmung, die als einer der besten Filme aller Zeiten gilt.
Bei all diesen Superlativen wundert es, dass die 1900 geborene US-Amerikanerin Margaret Mitchell nur diesen einen Roman geschrieben hat und sonst nichts. Lag es daran, dass sie an „Vom Winde verweht“ ganze 10 Jahre gearbeitet hat? Nein, tatsächlich genügte Mitchell der Reichtum, den das Buch und die Filmrechte einbrachten. Sie widmete sich danach ehrenamtlich wohltätigen Projekten und engagierte sich für afroamerikanische Bürgerrechte. Im August 1949 erlag sie leider den Folgen eines Unfalls mit einem Taxi. Ihr großes Werk wird aber immer unvergessen bleiben.
Beim nächsten Buch hat der Autor eine Verfilmung ausdrücklich untersagt.
#3 J. D. Salinger: „Der Fänger im Roggen“
Der im Jahr 1951 erschienene Roman „Der Fänger im Roggen“ (Originaltitel: „The Catcher in the Rye“) gilt als Vorreiter der amerikanischen Jugendliteratur. Das Buch, in dem ein 17-Jähriger drei Tage aus seiner Vergangenheit schildert, wird aber auch über diese Leserschaft hinaus bis heute intensiv gelesen und auf vielen Ebenen analysiert.
Dafür, dass es bis heute keine Adaption für Kino oder Fernsehen gibt, hat der Autor J. D. Salinger selbst gesorgt. Nachdem eine seiner früheren Kurzgeschichten für ihn unzufrieden verfilmt wurde, hat er sich für seinen großen Roman zeitlebens dagegen gewehrt.
Der 1919 geborene US-Amerikaner Jerome David Salinger schrieb zahlreiche Kurzgeschichten, aber nur diesen einen Roman. In den 1960ern zog er sich bis zu seinem Tod im Jahr 2010 komplett zurück – sowohl aus der Öffentlichkeit, als auch von weiteren Publikationen.
Ganz anders als die folgende literarische Eintagsfliege.
#4 Hugh Laurie: „Bockmist“ bzw. „Der Waffenhändler“
Hugh Laurie kennt man hierzulande in erster Linie als Schauspieler aus Kino und TV. Seine bekannteste Rolle dürfte die des „Dr. House“ sein. Doch Laurie ist ein wahres Multitalent: In seiner britischen Heimat war er viele Jahre lang in erster Linie als Komiker bekannt, in seiner Wahlheimat, den USA, ist er auch als hochkarätiger Pianist und Sänger unterwegs.
1996 wagte er einen bisher einmaligen Ausflug in die Romanschriftstellerei. Sein schwarzhumoriger Thriller „The Gun Seller“ wurde ein Bestseller. Eine Fortsetzung hat es allerdings nie gegeben – obwohl diese seit 2007 auf Amazon angekündigt ist.
In Deutschland wurde Lauries Roman erstmals 1999 mit dem naheliegenden Titel „Der Waffenhändler“ herausgegeben. 2008 gab es, im Zuge des Erfolgs von Dr. House, eine Neuauflage unter dem unsäglichen Titel „Bockmist“, die noch dazu von einem vollkommen zusammenhanglosen, grellen Cover mit einer Unterhose darauf „veredelt“ wurde. Man sollte sich davon nicht abschrecken lassen und dem Buch dennoch eine Chance geben.
Beim nächsten Autor ist das Auftauchen auf dieser Liste sicher eine Überraschung.
#5 Oscar Wilde: „Das Bildnis des Dorian Gray“
Den großen irischen Schriftsteller Oscar Wilde kennen mit Sicherheit alle und viele werden sich wundern, was er auf der Liste der One-Hit-Wonder zu suchen hat. Tatsächlich hat Wilde in seinen 46 Lebensjahren nur einen einzigen Roman geschrieben – ansonsten hat er sich zum Beispiel seinen märchenhaften Geschichten (z.B. „Das Gespenst von Canterville“) oder Bühnenstücken („Ernst sein ist alles“) gewidmet.
Sein berühmter Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ (Originaltitel: „The Picture of Dorian Gray“) aus dem Jahr 1890 galt damals als durchaus anrüchig und kritisierte u.a. den dekadenten Lebensstil der viktorianischen Obrigkeit.
Bis heute entstanden unzählige Adaptionen des Werks: Opern, Theaterstücke, Ballettaufführungen, Musicals, Filme, Hörspiele und Comics.
Dagegen ist der folgende Roman ein echter Geheimtipp.
#6 Peter Currell Brown: „Smallcreep’s Day“
Auch wenn hierzulande kaum jemand von Autor und Roman gehört haben wird, passt er nicht zuletzt aufgrund seiner Biografie in diese Auflistung: Peter Currell Brown war Arbeiter in einer englischen Fabrik für Landwirtschaftsmaschinen. Die Arbeit inspirierte ihn zu seinem Roman, der 1965 erschien und zum Bestseller wurde. Brown gab seinen Job auf, kaufte sich von den Tantiemen eine Töpferei auf dem Lande und zog dort seine Kinder groß. Auf die Frage, ob er weiter Bücher schreiben würde, meinte er schlicht, er hätte nichts weiter mitzuteilen.
Der surrealistische Roman „Smallcreep’s Day“ berichtet vom Fließbandarbeiter Pinquean Smallcreep. Der möchte eines Tages herausfinden, was in seiner Fabrik eigentlich hergestellt wird und begibt sich auf die Suche nach der Antwort. Dabei gerät er in schockierenden, bissigen und schwarzhumorigen Episoden immer weiter in den absurden Sog der gigantischen Fabrik.
Im Jahr 1980 veröffentlichte Genesis-Gitarrist Mike Rutherford ein gleichnamiges Konzeptalbum , in dem er die Geschichte musikalisch verarbeitete.
Bei der folgenden Autorin macht der Roman nur eine Nische ihres Œuvres aus.
#7 Sylvia Plath: „Die Glasglocke“
Die 1932 geborene US-Amerikanerin Sylvia Plath war in erster Linie Lyrikerin und viele sehen in den Gedichten bis heute ihr Hauptwerk. Sie schrieb aber auch Kinderbücher, Kurzgeschichten und einen Roman: „Die Glasglocke“ (Originaltitel: „The Bell Jar“), der 1963 erschien.
Das Buch trug deutlich autobiografische Züge, weshalb es – zum Schutz der Familie – zuerst unter dem Pseudonym Victoria Lucas und nicht in ihrer Heimat, sondern in Großbritannien erschien. Sylvia Plath nahm sich nur wenige Wochen nach Erscheinen ihres Romans mit nur 30 Jahren das Leben. Unter ihrem echten Namen wurde die Geschichte erst einige Jahre später neu veröffentlicht.
Der Roman begleitet die depressive und suizidgefährdete Protagonistin Esther Greenwood, Volontärin bei einem Modemagazin, durch den Sommer 1953 und endet mit ihrer Einlieferung in die Psychiatrie. Bis heute findet sich „Die Glasglocke“ auf zahlreichen Top-Listen der wichtigsten englischsprachigen Bücher.
Der nächste Einzelroman wurde nicht zuletzt durch eine legendäre Verfilmung zum Klassiker.
#8 Boris Pasternak: „Doktor Schiwago“
Der 1957 erschienene monumetale Roman hat eine abenteuerliche Veröffentlichungsgeschichte hinter sich.
Der populäre russische Lyriker Boris Pasternak setzt sich in seinem einzigen Roman mit der Geschichte Russlands zur Zeit der Oktoberrevolution auseinander – was dem sowjetischen Staat nicht gefiel. So erschien „Doktor Schiwago“ zuerst auf Italienisch und erst später – mit finanzieller Unterstützung der CIA – auf Russisch. Den Literaturnobelpreis durfte Pasternak nicht annehmen und erst fast 30 Jahre nach seinem Tod, im Zuge der kulturellen und politischen Lockerungen in der Sowjetunion 1988, wurden Autor und Roman in der Heimat rehabilitiert und verlegt.
Einen ordentlichen Popularitätsschub bekam Pasternaks Epos im Jahr 1965 durch David Leans monumentale und fünffach Oscar-prämierte Filmversion mit Omar Sharif in der Titelrolle.
Ähnlich umfangreich ist der folgende Roman.
#9 Ralph Ellison: „Der unsichtbare Mann“
An dieser Stelle strecken wir die Definition des One-Hit-Wonders ein wenig, denn vom US-amerikanischen Schriftsteller Ralph Ellison gibt es durchaus noch einen weiteren Roman. Der blieb allerdings zu Lebzeiten unvollendet und wurde erst später posthum veröffentlicht.
Ellisons großer Roman „Der unsichtbare Mann“ (Originaltitel: „The Invisible Man“) erschien im Jahr 1952 und wurde bald ein Riesenerfolg – sowohl bei Kritikern, als auch kommerziell. Er gilt als eines der wichtigsten afroamerikanischen Werke.
Tatsächlich verdiente Ellison so gut daran, dass er sich in den kommenden Jahrzehnten – bis zu seinem Tod 1994 – der Arbeit an seinem zweiten Buch widmen konnte, von dem es über 2.000 Manuskriptseiten gab, die aber teilweise bei einem Brand vernichtet wurden.
Auch das letzte weltberühmte Buch überrascht damit, dass es ein Einzelwerk ist.
#10 Anna Sewell: „Black Beauty“
„Black Beauty“ kennen viele wahrscheinlich zuerst aus dem Fernsehen. Es gab zahlreiche Adaptionen des Romans, der ein Besteller der Kinderliteratur wurde.
Tatsächlich hatte Anna Sewell aber etwas ganz anderes im Sinn, als sie mit über 50 Jahren ihr Buch schrieb: Sie wollte über Tierquälerei und grausame Bedingungen bei der Pferdehaltung aufklären, ein Thema, das ihr sehr am Herzen lag. Den Erfolg ihres Buches erlebte die 1820 geborene Britin nicht mehr mit: Sie verstarb kurz nach Veröffentlichung im Jahr 1877.
Es ist schon erstaunlich, dass so viele Autor*innen nur einen einzigen Roman geschrieben haben. Manche waren damit glücklich, bei anderen sorgten teils tragische Lebensumstände dafür. So oder so können wir ihnen für ihre einzigartige Literatur dankbar sein.